Literaturhinweis

Urheberrecht

Vorgestellt wird die Neuauflage eines etablierten und angesehenen Kommentars zum Urheberrecht. Wie stets bei Literaturhinweisen in diesem Rundschreiben für Radio-  und TV-Macher fällt der Blick auf diejenigen Vorschriften, die für die Branche relevant sind.

Beim Senderrecht, sozusagen der Königsdisziplin der linearen Verbreitung, fällt auf, wie sehr die Kommentierung – handwerklich völlig richtig – vom Europarecht ausgeht, um eine mit dieser Rechtsebene konforme Auslegung der Begriffe zu erreichen. Es geht viel um die Abgrenzung zwischen (Weiter-)Sendung und Empfang (in Hotels oder Zahnarztpraxen) und um die Frage, welche technischen Wege rechtlich für die Sendung in Frage kommen – online gehört dazu, so die Auskunft im Einklang mit der ganz überwiegenden Ansicht der Rechtswissenschaft und der Gerichte. Wie sehr das alles mit dem jeweiligen technischen Verständnis einer bestimmten Zeit zusammenhängt, zeigt sich bei Stichworten wie „Online-Videorekorder“ oder (immer noch) „Breitband-Kabelanlage“, wobei „Near-Video-On-Demand“ vermutlich nur noch in juristischen Kommentaren beatmet wird – als Endlosschleife eines Inhalts in einem eigenen Programmkanal, damals, als es noch keinen Video-Abruf gab. Interaktivität wird bei Web-Angeboten als Differenzierungsmerkmal ausgemacht, um die Sendung von dem Recht der öffentlichen Zugänglichmachung abzugrenzen, bei dem der Rezipient die Reihenfolge ändert. Das ist ebenfalls zutreffend und deshalb so wichtig, weil die ausübenden Künstler und die Hersteller erschienener Tonträger bei der Sendung „nur“ einen Vergütungsanspruch haben, bei der Zugänglichmachung aber ein Verbotsrecht.

Wir blättern weiter zu den Urheberrechtsschranken, konkret zur Berichterstattung über Tagesereignisse. Wir stellen uns vor, dass der Contentcreator (früher: „Redakteur“) in der Innenstadt steht und mit dem iPhone einen Aufsager macht – beispielsweise vom Weihnachtsmarkt in diesen Wochen. Zwangsläufig fängt er dabei Musik ein, deren Rechte er für die Sendung oder die Website klären müsste, wäre da nicht § 50 UrhG, der in diesem Fall der tagesaktuellen Berichterstattung hilft. Es lohnt sich aber zu den Schranken der Schranke weiter zu blättern: Nur in dem durch die tagesaktuelle Berichterstattung erforderlichen Zweck sind die Rechte der Kreativen zurückgedrängt und das eben auch nur, so lange die Story noch aktuell ist. Vor- und Nachberichterstattung sind zulässig, aber im Archiv gilt: „Je weiter der Vorgang, über den berichtet wird, zurückliegt, umso geringer wird das Interesse der Allgemeinheit an der Berichterstattung sein und umso eher scheidet die Anwendbarkeit des § 50 aus“. An diesem Punkt fallen das Äußerungsrecht und das Urheberrecht auseinander, denn die Rechtsprechung bis hinauf zum Bundesverfassungsgericht betont, dass Online-Archive zur Medienfreiheit dazugehören. Nur ist die Medienfreiheit an sich keine Schranke des Urheberrechts, weshalb manche Praktiken auf Webseiten oder Kanälen von Social Media die Schranke vermutlich ziemlich strapazieren.

Apropos Social Media: Im Urheberrecht-Diensteanbieter-Gesetz (UrhDaG) wird fingiert, dass es der Diensteanbieter (im Branchensprech: die Plattform) verantwortlich ist, wenn User Generated Content zugänglich gemacht wird. Die Plattform muss bestmöglich Rechte im Massengeschäft erwerben. Rechteinhaber können eine Sperrung anstreben mit all den bekannten Problemen, die zum Thema „Overblocking“ in der Vergangenheit diskutiert wurden. Es lohnt sich, die Kommentierung in zwei Richtungen eingehender zu studieren. Zum einen folgt für die inhaltliche Arbeit der Medien – nicht für den Transport von Werbung, dass der Einsatz von Musik dann unproblematisch ist, wenn die Plattform mit den Verwertungsgesellschaften eine Vereinbarung hat; um diese Abgrenzung geht es bei den laufenden Gesprächen im Zusammenhang mit Gesamtverträgen derzeit. Zum anderen sind die Ausführungen der Kommentierung interessant, wenn es um die Abgrenzung zum (neueren) DSA und anderen europäischen Regeln geht. Für Urheberrechtsfragen ist die „Störerhaftung“ der Plattformen durch die gesetzliche Fiktion überholt, für andere Rechtsgebiete wie etwa dem Persönlichkeitsrecht bleibt es aber dabei. Es lohnt sich also darüber nachzudenken, ob das UrhDaG, das bei der Diskussion um die Verantwortlichkeit von Plattformen meist aus dem Radar verschwindet, ein Muster sein könnte, dem man rechtspolitisch auch in anderen Fragestellungen etwas abgewinnen könnte.

Urheberrecht, Heidelberger Kommentar, 5. Auflage, Verlag C.F. Müller, Heidelberg 2025, 239,00 €

Weitere Literaturhinweise

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