Stellungnahme

Rundfunkkommission: Stellungnahme zum Digitale Medien-Staatsvertrag (DMStV)

die APR dankt für die Möglichkeit der Stellungnahme zum ersten Teil des Digitale Medien-Staatsvertrags (DMStV). Die APR vertritt 290 elektronische Medien mit journalistisch-redaktionellem Angebot (Hörfunk, Lokal-TV und Telemedien).

Regelung von Zuständigkeiten

Der vorgezogene erste Teil einer Novelle des MStV mit dem Ziel, die Folgen der Digitalisierung in Bezug auf das Medienrecht in die positive Ordnung der Medien einzubeziehen, beschränkt sich zu Recht auf die dringliche Bestimmung von Zuständigkeiten bei der Rechtsdurchsetzung europäischer Normen. Es ist zu begrüßen, dass die für Medien relevanten Fragen bei den Landesmedienanstalten staatsfern gebündelt werden.

Sicherung der Rechtsdurchsetzung

Die APR begrüßt ebenfalls, dass die Landesmedienanstalten in die Lage versetzt werden, bei der Durchsetzung der materiellen Vorgaben für digitale Angebote künstliche Intelligenz einzusetzen. Die entsprechenden Regelungen greifen praktische Anwendungsfälle auf, die sich bewährt haben. Zugleich werden die Medienanstalten ermutigt, weitergehende KI-Anwendungen zu schaffen, um digitale Angebote so detailliert zu überwachen, wie das beim Rundfunk geübte Praxis ist. Insoweit handelt es sich hier um einen Beitrag, das Level Playing Field bei der Rechtsanwendung herzustellen. Die APR weist allerdings darauf hin, dass die Leistungsfähigkeit der Landesmedienanstalt auch durch die finanziellen Ressourcen begrenzt ist, zumal eine Reihe von Landesmedienanstalten in Folge des sogenannten Vorwegabzugs Gelder wieder zurück oder umwidmen müssen und weniger Gelder für die originären und durch das Gesetz bestimmten Aufgaben zur Verfügung stehen. Im Übrigen ist der Anteil am Rundfunkbeitrag lange Jahre unverändert geblieben. Auch wenn dies Bezüge zum Staatsvertrag über die Rundfunkfinanzierung hat, soll im Rahmen dieser Stellungnahme darauf hingewiesen werden.

Daher sollte im Rahmen der gegenwärtig zur Verfügung stehenden Mittel erreicht werden, dass der Vorwegabzug dort, wo es ihn gibt, reduziert wird und zugleich auch eine Art von Finanzausgleich zwischen großen und kleinen Landesmedienanstalten über den seit Jahrzehnten unveränderten Sockelbeitrag hinaus bewirkt wird. Nur so ist gewährleistet, dass auch kleinere Landesmedienanstalten die nun erneut ausgeweiteten Aufgaben praktisch bewerkstelligen können. Es besteht sonst nicht nur die Gefahr, dass die neuen Zuständigkeiten und die neuen KI-Tools praktisch ins Leere laufen. Es besteht zudem die Gefahr, dass andere bestehende Aufgaben nicht erfüllt und Kürzungen etwa bei der Unterstützung von bestehenden Angeboten vorgenommen werden.

Offene Themen für den zweiten Teil des DMStV

Es ist der APR bewusst, dass hohe Erwartungen an den zweiten Teil einer Novelle des MStV gestellt werden. Auch wir tragen nachfolgend einzelne Themen vor.

Angesichts der Komplexität des Sachverhalts digitaler Medien, der Komplexität des Ineinandergreifens verschiedener nationaler und europäischer Regelungen und der in der Summe der Regelungsbereiche in einigen Punkten wenig kohärenten Vorgaben, ist das Bemühen der Rundfunkkommission sehr anspruchsvoll. Nach der konsensualen Beschreibung der politischen Ziele muss es im nächsten Schritt darum gehen herauszufiltern, ob der Gesetzgeber in Deutschland die notwendigen Regelungen treffen kann oder gegebenenfalls auf die Veränderung europäischer Vorgaben dringen muss. Auch der Standort einzelner Themen in unterschiedlichen Rechtsquellen bedarf der Prüfung im Detail, es scheint ein Zusammenspiel des geänderten MStV mit anderen Normen erforderlich zu sein. Wir erlauben uns in dieser Situation nachfolgend auf einige Punkte hinzuweisen, ohne die skizzierten Differenzierungen vorzunehmen. Gerne beteiligen wir uns an der weiteren Diskussion.

Level Playing Field bei entgeltlicher staatlicher Information: Für Nutzer beziehungsweise für den Markt gleichartige oder zumindest austauschbare Phänomene werden regulatorisch unterschiedlich behandelt. Als Beispiel greifen wir die Möglichkeit des Staates auf, gegen Entgelt Informationen zu platzieren. Der Staat hat nicht nur das Recht, sondern in weiten Bereichen auch die Pflicht zur Information. Er tut dies in sehr unterschiedlicher Weise etwa durch Anzeigen in Print, auf Plakaten und durch Werbung in Social Media - hier insgesamt ohne besondere Regulierung. Nur im Rundfunk wird das staatliche Verhalten durch die Landesmedienanstalten nachgeprüft. Dies geschieht im Detail zwischen den Anstalten abweichend und stets sehr kleinteilig und kompliziert, indem bspw. einzelne Formulierungen bewertet werden oder die Stimmlage von Sprechern untersucht wird. Im Ergebnis führt das dazu, dass der Staat oder die von diesem beauftragten Medienagenturen auf Werbung im Rundfunk verzichtet und zu austauschbaren Formen in Social Media ohne Beschränkung gehen.

Staatliche Regulierung führt also dazu, dass staatliche Mittel nicht auf Medien mit journalistischer Leistung allokiert werden, sondern in den Bereichen, in denen eher Probleme für das Modell der demokratiebezogenen Kommunikation ausgemacht werden. Dabei gehen die neuen Regelungen des EMFA von der Zulässigkeit solcher entgeltlichen Informationen aus, es wird hingegen die Transparenz des Mitteleinsatzes im Sinne einer Neutralität gefordert. Die Wirkung der bisherigen Regelung des MStV in der kleinteiligen Anwendung der Praxis führt zum Gegenteil, nämlich der einseitigen Bevorzugung der Medien, die nicht der durch den Staat gesetzten Regulierung unterliegen.

Die APR hat hierzu gemeinsam mit dem VAUNET ein Gutachten beim Institut für Europäisches Medienrecht (EMR) in Auftrag gegeben, das wir gerne nachreichen, soweit es nicht bekannt ist. In der Ergebniszusammenfassung heißt es in Bezug auf Information durch die staatliche Exekutive in Form gebuchter Werbespots (staatliche Öffentlichkeitsarbeit):

Solange der Gesetzgeber keine Veränderungen vorgenommen hat, erscheint es daher naheliegend, dass die Praxis der Rechtsanwendung durch die Landesmedienanstalten und ggf. das entsprechende Satzungsrecht angepasst werden, indem nur offensichtliche und schwerwiegende Rechtsverletzungen der staatlichen Exekutive, die Risiken für erhebliche Ungleichgewichte in der demokratischen Willensbildung mit sich bringen, gegenüber den diese Inhalte transportierenden Medien sanktioniert werden.

Für den gesamten Bereich der politischen Werbung wird in dem Gutachten einer differenzierenden Regelung das Wort geredet:

Ausgehend von der aktuellen Rechtslage und dem bestehenden Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers – soweit er den Spielraum an die Rechtsdurchsetzungsebene in Form von Satzungsermächtigungen weiterrecht, auch dort – ist daher bei der zukünftigen Fortentwicklung des Rechts der politischen Werbung im weiteren Sinn das Kohärenzgebot stärker zu beachten. Dazu bietet die noch in der Zukunft liegende Anwendbarkeit der neuen EU-Verordnung über die Transparenz und das Targeting politischer Werbung (PW-VO) Anlass, weil auch dieser Rechtsakt keine eindeutige Definition beinhaltet und im Detail weitere Fragen aufwirft. Zu berücksichtigen sind ferner die zukünftig anwendbaren Regelungen des Europäischen Medienfreiheitsgesetzes (EMFA) zur Transparenz und gleichberechtigten Verteilung der öffentlichen Werbegelder für Medien. Es wird sich daraus wegen des dort gewählten „noch konvergenteren“ Ansatzes, der alle Arten von Medien und in Teilen auch Online-Plattformen erfasst, die Notwendigkeit ergeben, kurzfristig Rechtsanpassungen vorzunehmen und insbesondere sicherzustellen, dass bestehende Verbote oder Beschränkungen die Anwendung der Vorgaben zur möglichst gleichmäßigen Verteilung staatlicher Werbeausgaben nicht bereits im Ansatz verhindern.

Hierauf basierend hat die APR Vorschläge für eine gesetzliche Änderung erarbeitet. Wir werden außerhalb dieser Stellungnahme im Detail auf die Rundfunkkommission zukommen. Dabei geht es um eine Differenzierung zwischen politischer Werbung einerseits und der Kommunikation staatlicher Stellen andererseits. Für diese Kommunikation sollen Regeln aufgenommen werden wie das Gebot zeitlichen Abstands vor Wahlen.

Definitionen als Ausgangspunkt für Ungleichbehandlung: Zum Teil weitreichende Unterschiede bei der Regulierung treffen Plattformen und Intermediäre. Maßgeblich sind also die Definitionen von Medienplattformen und Medienintermediären sowie der Oberflächen. Das letztlich durchschlagende Abgrenzungskriterium des Gesamtangebots scheint zu schwach, um die deutlichen Unterschiede bei Regulierungen zum Beispiel bei der Auffindbarkeit von Angeboten zu tragen. Umgehungen sind möglich. Die Einordnung von Smart Speakern und Aggregatoren, die Radioangebote im Internet bündeln und sich von den Vorgaben des MStV bislang in keiner Weise angesprochen fühlen, belegen das Problem – ob Angebote wie TuneIn ein Gesamtangebot erstellen, ist in der Praxis nicht leicht zu beantworten, da einzelne Angebote fehlen, allerdings eher als Folge einer Diskriminierung und nicht als Ergebnis einer eigenen publizistischen Auswahl der Plattform. Hier sollte auch ein Blick auf europarechtliche Definitionen erfolgen, da Unterschiede bei den Begriffen zu einem weiteren Auseinandertriften von Vorgaben führen dürfte.

Auffindbarkeit und Zugangsanspruch: Eine ganze Reihe von Regelungen befassen sich mit der Auffindbarkeit von Angeboten auf Plattformen und bei Intermediären. Diese Vorgaben laufen leer, wenn die Angebote erst gar nicht dort sind, also wenn es am Zugangsanspruch fehlt. Hier sind die bisherigen Regelungen zu ergänzen. Der Zugang von Radioprogrammen zu Aggregatoren oder Smart Speakern ist ein Beispiel hierfür; die Belange der Tech-Anbieter sind in medienrechtlicher Hinsicht nicht tangiert, während umgekehrt die Radio­-Anbieter vor einem willkürlichen Ausschluss von den Diensten geschützt werden müssen.

Schutz vor der Ausbeutung journalistischer Arbeit: Die Medienangebote, die journalistische Inhalte erstellen, müssen vor einer Ausbeutung geschützt werden. Dies geschieht in unterschiedlicher Weise, etwa durch die medienrechtlichen Vorgaben der Signalintegrität, aber auch durch Leistungsschutzrechte im Urheberrechtsgesetz. Unklar ist insbesondere, ob die Schranke des § 44a UrhG für Text- und Data-Mining zugunsten von Sprachmodellen der künstlichen Intelligenz gilt. Wir sind der Überzeugung, dass die aus dem europäischen Recht kommende Schranke nur für wissenschaftliche Arbeiten und die dafür notwendigen Analysen von Daten gilt, nicht aber für kommerzielle Angebote, die zudem in Konkurrenz zu den Medien treten.

Betrachtet man die Suche bei Google oder die Suchmöglichkeiten bei ChatGPT, dann erhält man längst nicht mehr eine Linkliste mit aufgefundenen Ergebnissen (mit oder ohne kurzen Text daraus), um dort nachzuschauen. Man erhält vielmehr einen durch KI erstellten Artikel, der Auskunft zur Suchfrage gibt. Das ist nicht mehr die Tätigkeit einer Suchmaschine, sondern das ersetzt publizistische Tätigkeit - und das auch noch auf Basis der publizistischen Quellen ohne eigenen Einsatz journalistischer Mittel. Im Wettbewerbsrecht hatte man dafür lange den zutreffend beschreibenden Ausdruck des Schmarotzens an fremder Leistung.

Schutz vor der Ausbeutung journalistischer Arbeit: Die vorstehende Betrachtung führt zu dem Themenbereich, wie Journalismus, zumal im lokalen und regionalen Bereich, dauerhaft finanziert werden kann. Werbung im digitalen Bereich geht weg von journalistischen Angeboten und hin zu anderen Angeboten, die ihre Relevanz aus dem Umfeld journalistischer Leistung bezieht. Österreich geht einen interessanten Weg, durch eine fünfprozentige Abgabe auf Digitale Werbung, die von den Onlinewerbeleistern abzuführen ist; eine gleich hohe Werbeabgabe besteht dort schon länger für Presse, Rundfunk und andere Werbeformen. Die deutsche Medienregulierung sollte positive Erfahrungen aus dem Ausland in die Überlegungen miteinbeziehen, wie VLOPs einen Beitrag zur Aufrechterhaltung und Finanzierung des demokratischen Diskurs leisten können und mögliche Einnahmen den journalistischen Angeboten zur Verfügung gestellt werden können.

Level Playing Field bei der Verbreiterhaftung: Die klassischen Medien unterliegen der Verbreiterhaftung. Informationen, die sie als Ergebnis ihrer journalistischen Tätigkeit zusammengestellt haben, können Rechte Dritter verletzen. Medien, die derartige Informationen verbreiten, können von den Betroffenen auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Unter den äußerungsrechtlichen Prämissen haften sie auch für Schäden und müssen gegebenenfalls auch Geldentschädigung wegen schwerer Persönlichkeitsrechtsverletzungen leisten. Wie dargestellt, bewegen sich digitale Plattformen immer weiter weg von der technischen Dienstleistung zu eigenen durch KI und Algorithmen erstellten Inhaltsangeboten. Für die KI-generierten Inhalte kann indes (erst recht) nichts anderes gelten als für die mit journalistischer Sorgfalt erstellten Inhalte. Die Haftung muss auch hier im identischen Umfang gelten. Eine Differenzierung nach der Größe der digitalen Anbieter bedarf es nicht, es genügt nicht, lediglich den VLOPs entsprechende Pflichten aufzugeben. Da es sich hier um inhaltsbezogene Verpflichtungen handelt und nicht um solche aus dem Bereich des E-Commerce sollte eine mitgliedstaatliche Regelung genügen. Ansonsten ist die Änderung europäischen Rechts anzustreben. Bei den Regelungen im EMFA wäre im Zusammenhang mit den Sorgfaltspflichten der VLOP´s in einem ersten Schritt klarzustellen, dass Medienangebote mit klar erkennbarer journalistischer Absenderschaft und Verantwortlichkeit eine privilegierte Quelle bei der Verbreiterhaftung im deutschen Äußerungsrecht darstellen.

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