Die APR gibt folgende Anregungen für die Wahlprogramme der politischen Parteien ab
Für eine starke und freie Medienlandschaft in Deutschland
Eine unabhängige und vielfältige Medienlandschaft ist das Fundament freier Meinungsbildung und damit ein Grundbaustein unserer Demokratie.
In Deutschland gibt es eine Vielzahl an Radio, TV- und Presseangeboten, die konstituierend für den demokratischen Diskurs sind. Diese Angebote gilt es zu schützen und deren publizistische und wirtschaftliche Freiheit zu erhalten und zu fördern.
In der Digitalen Medienwelt sind dagegen monopolartige Strukturen entstanden, die den freien Zugang der Medien zu den Menschen und ihre Finanzierung gefährden.
Wir schützen die Medienfreiheit und schaffen faire Rahmenbedingungen, damit journalistische Angebote ihre unverzichtbare Rolle in unserer Demokratie auch in der digitalen Welt wahrnehmen können.
Wir wollen einen fairen Wettbewerb, der die vielfältige privatwirtschaftliche Medienlandschaft in Deutschland sichert.
Zum Schutz unserer freien Medienlandschaft werden wir die Wettbewerbsbehörden stärken und das Wettbewerbs- und Kartellrecht so fassen, dass marktdominante digitale Plattformen und Werbemonopole besser aufgebrochen werden können. So fördern wir Innovation und verhindern, dass Monopole den Zugang neuer Anbieter blockieren.
Um monopolartige Strukturen multinationaler Anbieter zu durchbrechen, werden wir nationale Kooperationen in der Medienbranche ermöglichen. Gemeinsam entwickelte Produkte und Standards sollen zur Wettbewerbsfähigkeit beitragen.
Deutsche und europäische Anbieter müssen mit internationalen Digitalunternehmen auf Augenhöhe konkurrieren können. Wir werden dafür Sorge tragen, dass in Bereichen wie Datenschutz, Steuern und Vielfaltssicherung die Regulierung in der Form angepasst wird, dass digitale Gatekeeper durch Regulierung keine Wettbewerbsvorteile gegenüber kleineren Unternehmen haben.
Wir werden dafür sorgen, dass staatliche und öffentlich-rechtliche Anbieter die Märkte für privatwirtschaftliche journalistische Produkte nicht verzerren.
Wir wollen den Datenschutz stärken, ohne Innovationen im Journalismus zu behindern. Wir werden die Grundlage dafür schaffen, dass klassische Medien bessere Möglichkeiten für Nutzerkontakte und Verbraucherkommunikation in der digitalen Welt erhalten und dabei auch die Optionen verantwortungsvoller Datennutzung erweitert werden.
Regulierungen, die wirtschaftliche Grundlagen des Journalismus gefährden, wie etwa Werbebeschränkungen oder Bürokratiebelastungen werden wir verhindern.
Robuste Schutzrechte schaffen Anreize für Investitionen und Innovationen und sichern so die Zukunft des Journalismus in der digitalen Welt. Wir werden sicherstellen, dass journalistische Inhalte rechtlich besser geschützt werden.
Europäische oder nationale Regelungen die staatliche Einflussnahme auf Medieninhalte wären das Ende der Pressefreiheit. Staatliche Inhaltsvorgaben oder Vorabkontrollen durch Aufsichtsgremien lehnen wir ab. Die Pressefreiheit ist unantastbar und grundlegend für die Demokratie.
Im KI-Zeitalter geht es darum die Möglichkeiten der neuen Technologie für die Medien auszubauen, zugleich aber Sorge dafür zu tragen, dass KI-Anbieter Inhalte Dritter nicht ohne Genehmigung nutzen oder digitale Gatekeeper mit KI-Inhalten die freie Meinungsbildung beeinträchtigen. Wir werden eine moderne KI-Regulierung schaffen, die die Medienbranche unterstützt. Medienanbieter sollen bei der Nutzung von KI-Produkten keine innovationshemmenden Beschränkungen erfahren.
KI-Anbieter, die Medieninhalte nutzen, werden wir verpflichten, dafür die Zustimmung der Medienunternehmen einzuholen und sie angemessen zu vergüten.
Wir werden eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe initiieren, die sich mit der Frage befasst, welche Gefahren und Regulierungsnotwendigkeiten sich ergeben, wenn digitale Gatekeeper Meinungsrelevante KI-Inhalte publizieren.
Wir werden journalistische Anbieter durch Fördermaßnahmen dabei unterstützen den Wandel zu digitalen Geschäftsmodellen zu bewältigen. Steuerliche Belastungen für journalistische Produkte werden wir abbauen. Damit erhalten wir die Vielfalt und Qualität professioneller Nachrichtenmedien als entscheidende Grundlage unserer Demokratie.
Situation privater Medienanbieter unter Berücksichtigung aktueller Vorhaben des Bundes und der Länder
Private Medienanbieter befinden sich in einem immer intensiveren Wettbewerb mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk und globalen Big-Tech-Plattformen.
So dominieren die globalen Big Tech-Plattformen die Medien- und Werbemärkte, indem sie wesentliche Teile der Wertschöpfungsketten kontrollieren, eigene Angebote und Werbetechnologien bevorzugen und Einfluss auf die Werbevermarktung der über sie verbreiteten Inhalteanbieter nehmen.
Gleichzeitig verfügen die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten aufgrund des stabilen, konjunkturunabhängigen Beitragsaufkommens i. H. v. 8,6 Mrd. € zzgl. Werbeerlösen per se über einen Wettbewerbsvorteil in einem äußerst umkämpften Gesamtmarkt. Demgegenüber waren die privaten Medienanbieter in den Jahren der Multikrisen äußerst volatilen Umsatzentwicklungen ausgesetzt: Im Ergebnis lagen die Umsätze der Unternehmen Ende 2023 etwa 20 % unter 2019. Die seitens VAUNET für 2024 prognostizierten Um sätze sind trotz moderaten Wachstums weit vom Vorkrisenniveau entfernt. Hinsichtlich des digitalen Werbemarktes entfallen fast 60 % allein auf drei Unternehmen: Google, Amazon und Meta.
Gerade in politisch unsicheren Zeiten mit zahlreichen Quellen für Desinformation geben die privaten Medien verlässliche und vielfältige Orientierung und leisten einen wichtigen Beitrag zur Sicherung unseres demokratischen Gemeinwesens. Die private Audio- u. audiovisuelle Medienwirtschaft investiert in Milliardenhöhe in Inhalte und steht für mehr als 800.000 direkt und indirekt Beschäftigte. Private Medien stellen sich im Wettbewerb der Herausforderung, ihre Angebote und Geschäftsmodelle ins Digitale zu transformieren und sind Innovationstreiber durch den Einsatz neuer Technologien wie z. B. Kl.
Sie bedürfen deshalb der besonderen Aufmerksamkeit der Politik, vor allem in jenen Bereichen, die sich auf ihre Finanzierung über Werbung und Abo-Modelle auswirken. Statt sich für Werbeverbote, Beschränkung daten- und onlinebasierter Geschäftsmodelle oder Investitionsverpflichtungen im Bereich Film und Serien auszusprechen, sollten sich Politik und Regulierung klar für die Wettbewerbsfähigkeit und Kooperationsmöglichkeiten privater Medien in Deutschland einsetzen. Unternehmen benötigen ein investitionsfreundliches Klima, um flexibel auf die sich dynamisch ändernden Marktbedingungen und Verbraucherbedürfnisse reagieren zu können. Sie brauchen eine Absicherung ihrer Übertragungswege und Auffindbarkeit, um zu ihren Zuschauer:innen, Zuhörer:innen und Nutzer:innen zu gelangen1. Nur so können die politisch erwünschten Ziele von Standort-, Arbeitsplatz- und Medienvielfaltssicherung erreicht werden.
Wir begrüßen sehr, dass uns die Länder in vielen dieser Themen unterstützen.
Wesentliche Anliegen
Unsere wesentlichen Anliegen gliedern sich in die Bereiche Wettbewerbsthemen, Refinanzierung und Kooperationen.
I. Wettbewerbsthemen
1. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist uns weiterhin ein wichtiger Partner im dualen System. Zudem ist es unser Anliegen, den Herausforderungen von Big Tech und Desinformation gemeinsam zu begegnen (s. dazu unter 3). Gleichwohl existieren für uns nach wie vor zahlreiche Wettbewerbsverzerrungen, die für ein faires Miteinander im Reformstaatsvertrag adressiert werden sollten:
- Kontrolle der Einhaltung des zum 1. Juni 2023 geschärften Auftrages (Information, Bildung, Kultur, Beratung und Unterhaltung, die einem öffentlich-rechtlichen Profil entspricht), vor allem in der Prime- bzw. Drive-Time. Nach fast einem Jahr sind keine spürbaren Veränderungen erfolgt. Soll die nach langem Ringen verabschiedete Schärfung des Auftrags nicht zu einer „Luftnummer"' werden, müssen sich Gremien und Länder der Umsetzung der neuen Be-stimmungen vergewissern und die Schärfung nachhalten.
- Deckelung des Sportrechtebudgets von ARD und ZDF durch staatsvertragliche Regelung oder spürbare finanzwirksame Selbstverpflichtung der Anstalten. Für 2022 weist die KEF 861 Mio. € an Rechtekosten aus, selbst im Durchschnitt ist von 500 Mio.€/Jahr (inkl. Strukturkosten) auszugehen. Es besteht mangelnde Transparenz, zudem wird der Zugang privater Wettbewerber zu Sportereignissen durch den Umfang und die Preisentwicklung beschränkt.
- Keine Regionalisierung zu Lasten privater Medienanbieter durch einen „regionalen Auftrag" der ARD. Schon heute ist ein Eindringen der ARD-Anstalten in lokale und regionale Märkte durch zunehmende (Online-) Regionalisierung oder regionale Auseinanderschaltung festzustellen (z. B. SWR). Dies gefährdet massiv die regionale und lokale Angebots- und Anbietervielfalt, besonders im Radio.
- Überprüfung kommerzieller Aktivitäten und Beibehaltung des öffentlich-rechtlichen Online-Werbeverbots: In den vergangenen Monaten sind die Tochtergesellschaften der Anstalten vermehrt mit eigenständigen, teilweise werbe- und entgeltfinanzierten, B2C-InhaIten präsent (Stichwort: Podcast-Vermarktung, YouTube-Channels, FAST-Channels, ARDPIus)2 . Die Grenzen kommerzieller Tätigkeiten sollten unter Beibehaltung bestehender Grenzen (Werbeverbot in Telemedien) zeitnah neu justiert werden. Eine klare Trennung der Finanzierungsformen (Hörfunk: Einstieg in den Werbeausstieg im Wege des NDR-Modells, Fernsehen: vollständige Werbefreiheit im Wege eines Stufenmodells) stärkt die Abgrenzbarkeit.
2. Big-Tech-Plattformen
Big-Tech-PIattformen sind Schlüsselakteure bei der Verbreitung, Vermarktung und Auffindbarkeit von Medieninhalten. Für private Medien sind sie daher wichtige Partner. Zugleich sind sie aber auch die größten Wettbewerber im Bereich der Online-Werbetechnologien, bei der Nutzungsmessung und der Ausspielung von Online-Werbung. Vor allem Google, Amazon, Meta, Apple und Microsoft (GAMAM) beherrschen wesentliche Teile der Werbewertschöpfungskette, von App-Stores und Endgeräte über die Bevorzugung eigener Inhalte- und Medienangebote bis hin zu Werbetechnologie-PIattformen (AdTec), die den automatischen Bieterprozess für Onlinewerbung realisieren.
- Adressierung der wesentlichen Problemfelder: Einschränkung des Zugriffs auf Werbeinventare der Medienunternehmen, Forderung nach Umsatz- oder Werbeinventarbeteiligung, Nutzung proprietärer Werbetechnologie-Systeme, Ausschluss der Verwendung von Nutzungsdaten sowie Weiterentwicklung Kl-generierter Suchsysteme ohne direkte Ansteuerungsmöglichkeit der verwendeten Medienquellen.
Zu diesen vielfältigen Themenfeldern bietet sich eine Fortsetzung unseres Dialoges an, um die geschilderten Konstellationen zu illustrieren. - Keine datenschutzrechtliche Überregulierung privater Medienunternehmen, die die Grenzen zulässiger Datennutzung zu Werbezwecken und zur Verbesserung ihrer Angebote unverhältnismäßig einschränkt (z. B. Form der Nutzereinwilligung). Dies erschwert die Refinanzierung von Online-Geschäftsmodellen erheblich.
- Effiziente Durchsetzung der europäischen und nationalen Plattformregelungen durch die Kartellbehörden und Medienanstalten: Bestehende Normen der Zugangs- und Auffindbarkeitsregulierung müssen effektiv und technikneutral angewendet und bei Bedarf angepasst werden.
II. Refinanzierung und Sicherung der Verbreitungswege
Die Refinanzierung bleibt die wesentliche Grundlage unabhängiger privatwirtschaftlicher Medien und darf nicht durch regulatorische Eingriffe, die derzeit i. W. durch Überlegungen auf Bundes- und EU-Ebene angestrebt werden, gefährdet werden. Gleichzeitig müssen Medienunternehmen ausreichende Planungs- und Investitionssicherheit hinsichtlich ihrer Verbreitungswege haben.
- Verhinderung von Werbeverboten für legal erhältliche Produkte (z. B. KWLG-E): Ein weitreichendes, nicht evidenzbasiertes Lebensmittelwerbeverbot gefährdet die Medienvielfalt, missachtet die Länderzuständigkeit und steht einer politisch intendierten Stärkung der Wirtschaft diametral entgegen.
- Keine Investitionsverpflichtung für TV- und Streaming-Anbieter im Bereich der Filmförderung: Diese stellt einen Eingriff in die Angebotsautonomie dar, greift kleinteilig (z. B. durch Subquoten) in den Markt ein und wird Deutschland international nicht als attraktiven Produktionsstandort stärken. Auch hier würde in bestehende Länderhoheit und funktionierende Fördersysteme eingegriffen. Stattdessen wären Steueranreizmodelle zu bevorzugen.
- Neubewertung des Rahmens für politische Werbung aufgrund von EMFA und EU-Verordnung zur politischen Werbung: Staatliche Informationen und entsprechende Öffentlichkeitsarbeit, z. B. von Ministerien, müssen möglich sein und sind klar von unzulässiger politischer Werbung zu trennen.
- Sicherung der Übertragungswege und Auffindbarkeit: Im Radio ist eine langfristige Aufrechterhaltung aller bisher genutzten technischen Verbreitungswege existenziell. UKW ist nach wie vor der meistgenutzte Übertragungsweg mit der größten wirtschaftlichen Relevanz. Die Digitalisierung des Hörfunks muss marktgerecht, technologieneutral und selbstbestimmt erfolgen sowie die Tragfähigkeit der Geschäftsmodelle berücksichtigen. In den wenigen Bundesländern, in denen zurzeit konkrete Migrationsszenarien avisiert werden, bedarf es flexibler Einzelfalllösungen, die die Interessen der Privatsender sowie die Medienvielfalt vor Ort wahren. Vor dem Hintergrund der Verlängerung der Finanzierung der UKW-Verbreitung für den öffentlich-rechtlichen Hörfunk durch die KEF bis mindestens 2032 muss gewährleistet sein, dass private Programme mindestens genauso lange auf UKW verbreitet werden können.
III. Kooperationen
Kooperationen im nationalen Markt haben angesichts der Wettbewerbsverhältnisse zu globalen Tech-Plattformen erheblich an Bedeutung gewonnen. Dies gilt sowohl für Kooperationen zwischen privatwirtschaftlichen Unternehmen als auch mit ARD und ZDF.
- Anstelle monopolartige Drittplattformen zu frequentieren, sollten die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten neben Kooperationen untereinander auch intensiver die diskriminierungsfreie Kooperation mit privaten Medienanbietern suchen. Durch Kooperationen in Programm, Struktur und Vermarktung zwischen den Anstalten als auch mit privaten Veranstaltern lassen sich Einspareffekte erzielen. Die Stabilität und Akzeptanz der dualen Medienordnung könnten auf diese Weise gestärkt werden. Sofern die Rundfunkanstalten ihrer Kooperationen ausbauen, müssen sich diese auf den Auftragsbereich beschränken.
- Ein „Kooperationsgebot" ließe sich im Staatsvertrag dergestalt verankern, dass die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten zumindest verpflichtet sein müssten, immer wieder neu zu prüfen, in welchen Feldern eine Kooperation mit dem privaten Rundfunk im Sinne des dualen Systems und zum Nutzen der Beitragszahler:innen angezeigt ist.
- Außerdem sollte die Schaffung gemischter Multiplexe (ÖRR und Private), dort wo technisch möglich und wirtschaftlich sinnvoll, vorangetrieben werden. Bei gesetzlichen Voraussetzungen für die Weiternutzung von freigewordenen oder zurückgegebenen UKW-Frequenzen muss zudem sichergestellt werden, dass diese Kapazitäten im Bedarfsfall auch tatsächlich den privaten Veranstaltern zur Schließung von Versorgungslücken zur Verfügung stehen.
- Zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit von Medienunternehmen sollten zudem innovative Kooperationsformen und Allianzen nicht an zu hohen kartellrechtlichen Hürden scheitern. Eine Erweiterung der regulatorischen Marktbetrachtungen und ein flexibles Wettbewerbs- und Kartellrecht sind hierfür notwendig. Hierzu gehört im Rahmen der intendierten 12. GWB-Novelle auch eine Erleichterung bzw. Freistellung von Medienkooperationen nach dem Vorbild der Ausnahmen für die Presse, und dies nicht nur für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
Prof. Dr. Holger Paesler