Der Vorsitzende Felix Kovac im Gespräch mit dem KEK-Vorsitzenden Prof. Dr. Ralf Müller-Terpitz zur zukünftigen Regulierung der Rundfunkmedien
Die APR vertritt als Rundfunkverband im Schwerpunkt die klassischen Hörfunkanbieter in Deutschland. Insoweit sind die nachfolgenden Antworten unter dem Blickwinkel der privaten Radiobranche zu lesen:
1. Wer ist aus Ihrer Sicht als Wettbewerber anzusehen, d.h. mit welchen Unternehmen sehen Sie sich im Wettbewerb um Werbekunden, Abokunden bzw. Rezipienten?
Die klassischen privaten Radio- und Audioanbieter stehen in vielfältigem Wettbewerb mit anderen Anbietern medialer Leistungen. Uns allen ist gemeinsam, dass wir die Reichweite, die wir mit unseren Medienprodukten bei Hörern, Sehern, Lesern und Nutzern generieren an die Werbebranche verkaufen und versuchen zudem mit vielfältigen Aktionen bspw. im Veranstaltungsbereich nicht nur Kundenbindung zu generieren, sondern auch Zusatzgeschäft zu generieren.
Hier besteht ein gattungsübergreifender Wettbewerbsmarkt zwischen TV, Audio, Print, Online, Out-Of-Home und auch den Intermediären wie Google, Meta, Apple und Co., die letztlich auch Kunden adressieren und Werbegelder bei den gleichen Zielgruppen und Werbeagenturen wie die klassischen Medien abgreifen (…allerdings ohne deren Vorgaben und Regulierung…).
Im klassischen Radiomarkt stehen wir im Wettbewerb mit anderen im Empfangsgebiet zugelassenen privaten und öffentlich-rechtlichen Rundfunkanbietern. Dies ist ein hochregulierter Markt auf unterschiedlichen Distributionswegen wie UKW, DAB+ und dem Internet. Zudem hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk hier andere binnenplurale Vorgaben und einen öffentlich-rechtlichen Auftrag und Finanzierung.
Die anderen klassischen Medienanbietern wie TV, Print, Online, Out-of-Home sind ebenfalls Mitbewerber, zumeist aber nur den allgemeinen Gesetzen unterworfen (z.B. dem Presserecht).
In den letzten Jahren sind noch Wettbewerber aus dem Retail-Bereich hinzugekommen, d.h. Unternehmen wie Rewe oder XXXLutz machen eigene mediale Angebote; große Firmen wie BMW, etc. machen über Owned-Media eigene Werbeansprachen und nehmen so den „Mittelsmann“ aus der Werbevermarktung, sprich die klassischen Medienanbieter, raus. D.h. frühere Werbekunden machen jetzt eigene Werbeangebote.
Der Wettbewerb mit den Intermediären (GAFAG) ist perspektivisch der schwerste, da diese Anbieter wie Google, Meta und Co. über einen riesigen finanziellen und technologischen Vorsprung verfügen und die Folgen der Plattform- und Netzökonomie zu monopolistischen Strukturen und Skaleneffekten führen, die perspektivisch jeden Wettbewerb untergräbt, da alle bisherigen Mitbewerber nur noch Zulieferer auf der Infrastruktur der großen Plattformanbieter werden. Diese besitzen alle Wertschöpfungsstufen im Vermarktungs- und Kundenanspracheprozess inklusive der Kunden- und Wettbewerberdaten, sind zudem weitestgehend unreguliert und supranational; sie besitzen eigene, monopolitische Infrastruktur, Kundendaten, Distribution, Werbevermarktung, etc.
Im Ergebnis ist der Medienbereich schon heute einer der wettbewerbsintensivsten Märkte aus Sicht eines klassischen Hörfunk-/Audioanbieters und dies nimmt in der Zukunft weiter zu.
2. Existiert aus Ihrer Sicht ein Level Playing oder Unlevel Playing Field im Verhältnis zu diesen Wettbewerbern? Begründung? Im Falle eines Unlevel Playing Field: Wo sehen Sie für sich die größten Benachteiligungen im Vergleich zu Ihren Wettbewerbern?
Ein Level Playing Field besteht zunächst nur im Bereich des privaten Hörfunks untereinander, soweit es den Vertriebsweg UKW und DAB+, d.h. die klassischen Radiovertriebswege, betrifft. Hier sind alle Player einem einheitlichen Zulassungs- und Regulierungsrahmen unter der Aufsicht einer föderalen Landesmedienanstalt unterworfen im Rahmen der legislativen Ausgestaltung von Rundfunk im Landeskontext. Hier haben neben der Zulassung die Länder auch den Frequenzrahmen organisiert und somit einheitliche Rahmenbedingungen für die Radioanbieter im Land.
Das Feld wird im Dualen System schon etwas verschoben, da der Öffentlich-rechtliche Rundfunk im gleichen Verbreitungsgebiet schon anderen, binnenpluralen Regelungen unterworfen ist und durch die Gebühren und Werbefinanzierung anders im Markt auftreten kann.
Zeitungen und Verlagsprodukte, Out-of-Home unterliegen keiner spezifischen rundfunkrechtlichen Zulassung oder Regulierung; TV ist zumeist bundesweit aktiv und ggfs. noch europarechtlich organisiert, aber zumeist weniger stark reguliert als der Hörfunk.
Wenn wir den Online/Internet-Bereich betrachten, verschiebt sich komplett das Level-Playing-Field. Reine Audioanbieter wie Spotify und Apple/Amazon Music sind vollkommen unreguliert, soweit es medienspezifische Fragen angeht. Bei Apple und Amazon kommt aber noch erschwerend hinzu, dass diese über die Benutzeroberflächen ihrer Produkte oder Betriebssysteme wie „Smart Speaker“ – anders als die klassischen Radio-Anbieter – auch Infrastruktur- und Sendenetzanbieter/-organisator sind und damit in einer ganz anderen Liga unterwegs sind, zudem supranational und finanzstark organisiert.
Die Tatsache, dass der Hörfunkmarkt letztlich ein hoch regulierter Markt ist und die Wettbewerber unreguliert und zudem im Besitz der unterschiedlichen Vermarktungsstufen, führt zu einer massiven Benachteiligung. Beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk kommt hinzu, dass hier ein Wettbewerber ist, dessen Geschäftsmodell nicht die Refinanzierung von journalistischen medialen Leistungen darstellt, sondern die Vorhaltung im Sinne einer Daseinsvorsorge, d.h. hier ist ein Wettbewerber, der sich nicht dem Wettbewerb stellen muss, da er sich nicht aus dem Wettbewerb heraus refinanzieren muss.
3. Welche konkreten Vor- und Nachteile resultieren aus Ihrer Sicht für Ihre Mediengattung/Ihren Medienakteur aus dem gegenwärtigen regulatorischen Rahmen?
Mit der sich abzeichnenden veränderten Mediennutzung und dem Swift von analogen zur digitalen Distributionstechnik zur Vermittlung/Versendung medialer Inhalte verschwinden die ursprünglichen Vorteile der klassischen Medienregulierung völlig.
Früher gab eine mit der Lizenz korrespondieren Frequenzzuteilung im regulierten Markt eine Chance auf Refinanzierung der getätigten Investitionen und Betrieb des Medienunternehmens. Dies ist unter der sich veränderten Mediennutzung und dem Hinzukommen der Intermediäre nicht mehr der Fall. Die nach wie vor bestehende hohe Regulierungsdichte im Rundfunk wird zum Wettbewerbsnachteil; Vorteile gibt es nicht mehr.
Stattdessen überwiegen die Nachteile aus der Rundfunkregulierung und dem Föderalismus, bspw. bei der Werbevermarktung. Hier sind eine unterschiedliche Spruchpraxis der Landesmedienanstalten bei bestimmten Werbeformaten, die medienspezifischen Werberegeln und die eingeschränkten Beteiligungsmöglichkeiten beispielshaft genannt.
4. Für wie erheblich würden Sie diese Vor- und Nachteile im Vergleich zu Ihren Wettbewerbern bewerten? Insbesondere: Welche rechtlichen und ökonomischen Konsequenzen sind mit den Vor- und Nachteilen für Ihre Mediengattung/Ihren Medienakteur verbunden?
Die Vorteile verschwinden perspektivisch völlig, die Nachteile sind elementar und aus Sicht des eigenen Unternehmens nicht überwindbar. Es besteht letztlich hier kein gemeinsames Level Playing Field, weder im Dualen System, nicht zu den Angeboten der Verlage oder bundesweitem TV (da privater Rundfunk im föderalen Kontext im Rahmen seiner Lizenz und der jeweiligen Landesmediengesetze reguliert ist; zudem eine Kontrolle über Landesmediengesetze und Medienrat), nicht zum Öffentlich-rechtliche Rundfunk (der sich selbst kontrolliert - auch bei Werbethemen - und mit TV und Online gattungsübergreifend agieren kann und durch die Gebühren und Werbung mischfinanziert im Markt auftritt) und schon gar nicht bei den Intermediären!
Für die Intermediäre gibt es keinen funktionierenden (föderalen) Regulierungsansatz, obwohl diese nachweislich zwischenzeitlich mehr als die Hälfte aller Werbegelder auf sich vereinnahmen und mehr als die Hälfte der Reichweite aller Medienangebote aggregieren. Dabei ist das größte Problem, dass die Werbevermarktung, die Zielgruppenansprache und die Aussteuerung der Distributionswege aus einer Hand erfolgen unter Aussperrung/Missachtung der Mitbewerber aus den klassischen Medien (Bsp. Smart Speaker) und dies alles ohne verantwortliche Absenderschaft (Haftungsprivileg), weil die Plattformen eben nicht wie Medien reguliert werden, obwohl die Plattformen alle Eigenschaften von Medien aufweisen und im Meinungs- und Werbemarkt eben genau so von Kunden und Nutzer aufgenommen werden.
Um es noch mal ganz deutlich zu sagen: Die Nachteile sind ganz erheblich!
Im Ergebnis werden alle klassischen Medienanbieter Zulieferer für die digitalen Plattformen ohne über deren Algorithmus bei der Ausspielung der Inhalte, Sichtbarkeit und Auffindbarkeit Kenntnis zu haben bzw. diese beeinflussen zu können und damit einer planbaren Refinanzierung der journalistischen und medialen Angebote im privatwirtschaftlichen Sektor nachkommen zu können. Erschwerend kommt hinzu, das die Intermediäre in deren Ökosystem sämtliche Vermarktungs- und Bindungskräfte vereinen und damit aus Nutzer und Zuliefersicht ein Supermonopol über alle Verwertungsstufen hinweg darstellen – hier setzt auch die neue europäische Regelung mit DMS und DMA nur unzureichend an.
5. Wie könnten aus Ihrer Sicht Maßnahmen zur Bekämpfung von Ungleichheiten aussehen?
Maßnahmen zur Bekämpfung von Ungleichheiten wären ein fairer Regulierungsrahmen und dessen Herstellung im Level Playing Field.
Zunächst wäre hier eine Entflechtung von Google und Co. denkbar, im Blick auf die Trennung von Distribution, Kundenkenntnis und Werbevermarktung, um auch der Sonderrolle der Medien in Art. 5 GG wieder Wirkung zu verleihen.
Sichtbarkeit und Auffindbarkeit für Public-Value-Angebote sind unerlässlich.
Deren Refinanzierung über ein robustes Leistungsschutzrecht oder der Übertragung der Gedanken der Drittsendezeiten(-finanzierung) vs. eine Digitalsteuer/-abgabe zur Finanzierung der medialen gesellschaftlich gewünschten Angebote könnten weitere Ansätze sein.
Für den öffentlich-rechtlichen Sektor bedarf es einer klaren Auftragsbeschreibung, die auch die dienende Funktion der Technik in den Focus nimmt, konkret mit einem Kooperationszwang/-gebot bei der Distribution auch mit privaten Unternehmen. Das beinhaltet einen gemeinsamen Sendenetzbetrieb im klassischen Fall aber auch die diskriminierungsfreie Ausspielung der privaten Mitbewerber auf den neuen digitalen Plattformen, im besten Fall ergänzen dann die privaten Angebote mit außenpluraler Vielfalt die binnenpluralen Angebote der öffentlich-rechtlichen Anbieter im Sinne einer Vielfaltsmehrung für den demokratischen Diskurs (so eine Art Pressegrosso 3.0).
Zugleich sollte der zukünftige (Grund-)Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks werbe und sponsoringfrei werden, bzw. so organisiert sein, dass es nicht weiter zu Wettbewerbsverzerrung kommt.
6. Welche weiteren Dinge in diesem Zusammenhang möchten Sie uns mitgeben?
Wir brauchen eine ehrliche und realistische Perspektive auf die tektonischen Verschiebungen in der deutschen Medienlandschaft und eine Debatte, die nicht aus der Perspektive der Erhaltung eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks im bisherigen Föderalen System erfolgt, d.h. mehr Revolution als Evolution.
Wir brauchen hier zeitnahe politische Entscheidungen, die die private Medienbranche in die digitale Zukunft überführt. Diese Aufgabe bezieht sich nicht auf eine Abkehr des tragenden Medien- und Freiheitsgedankens aus Art. 5 GG in der Trägerschaft der Länder für den klassischen Rundfunk, als vielmehr aus der Sorge, dass die faktische Macht der Intermediäre genau diese Prämissen faktisch aushöhlen und auflösen. Hier besteht hoher Handlungsbedarf!
Felix Kovac, CEO Antenne Bayern Group als Vorsitzender der APR - Arbeitsgemeinschaft Privater Rundfunk, gez. Prof. Dr. Holger Paesler als GF der APR