Literaturhinweis

Kommentar zum DSA

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Was tun bei rechtswidrigen Inhalten in Medien auf Plattformen?

16. April 2024

Ralf Müller-Terpitz, Markus Köhler (Hrg.), DSA - Digital Services Act, Verlag C.H.Beck, München 2024, 149,00 €.

Der Digital Services Act (DSA - Gesetz über digitale Dienste) gilt unmittelbar quer durch Europa. Das hat etwa zur Konsequenz, dass in Deutschland die aus der alten E-Commerce-RL kommenden "Haftungsprivilegien" für Plattformen nach dem TMG nicht mehr zählen, sondern sich die Rechte und Pflichten direkt aus dem europäischen DSA ergeben.

Der DSA regelt das Verhältnis der Plattformen zum User. Es geht nicht nur um die Haftungsprivilegien, sondern - gegenüber der alten Rechtslage neu - auch um Sorgfaltspflichten. Hierzu werden den sehr großen Plattformen, auf die sich europaweit die Nutzungen konzentrieren, besondere Pflichten auferlegt. All das setzt eigene Definitionen etwa zum Anwendungsbereich der Vorschriften voraus und bei der Kontrolle geht es um Verfahren - wer in Europa schaut den Plattformen auf die Finger und wer ist für Sanktionen zuständig?. "Herkunftslandsprinzip" ist hier das Stichwort, um das es an einigen Ecken der vorgestellten Kommentierung geht: Was in einem Mitgliedsstaat legal angeboten wird, soll es auch in anderen Mitgliedsstaaten sein. Die Definition, was ein rechtswidriger Inhalt ist, ist recht abstrakt, die Erläuterung lesenswert. Zunächst handelt es sich um irgendwelche Informationen gleich welcher Art, was jedenfalls auch Medieninhalte berührt. Deren Rechtswidrigkeit kann durch einen Verstoß gegen Unionsrecht, aber auch das Recht eines Mitgliedsstaates herrühren. Angesichts des Herkunftslandsprinzips stellt sich schnell die Frage, was passiert, wenn die rechtlichen Anforderungen in den Mitgliedsstaaten unterschiedlich sind.

In der Praxis führt das zum Verfahrensrecht und damit den "Koordinatoren für digitale Dienste" in einzelnen Ländern, die im Rahmen der Beaufsichtigung Rechtsverstöße feststellen sollen. LfM-Direktor Tobias Schmid und der frühere Referent für EU-Recht in der gemeinsamen Geschäftsstelle der Medienanstalten, Peter Matzneller, kommentieren im Kapitel der Zusammenarbeit und der Sanktionen die entsprechenden Vorschriften. Sie weisen darauf hin, dass die gemeinsame Untersuchung des Koordinators am Niederlassungsort unter Beteiligung eines oder mehrerer Koordinatoren in betroffenen Staaten den Zweck hat, den am Niederlassungsort zuständigen Koordinator zum Handeln zu bewegen - um etwa Standortvorteile durch geringe Kontrolldichte hervorzurufen, wie etwa in Irland; der Nachsatz steht nicht in der Kommentierung, könnte aber ein Motiv gewesen sein: "Diese Form des Aktivierens einer gemeinsamen Untersuchung ist offensichtlich vom Gedanken getragen, das Herkunftslandsprinzip im Kern zu verteidigen, die Regulierungsintensitität bei grenzüberschreitenden Fällen aber dennoch nicht ausschließlich den Behörden und Stellen am Niederlassungsort zu überlassen", so die Kommentierung. Nur so könne die Destabilisierung des Herkunftslandsprinzips durch asymmetrische Durchsetzung des harmonisierten Rechtsrahmens verhindert werden. Das ist ganz offensichtlich von den Erfahrungen aus der ERGA - dem Gremium der europäischen Medienregulierer nach der AVMD-RL - gespeist, auf die die Kommentierung mehrfach Bezug nimmt.

Der Hinweis auf die ältere Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste (AVMD-RL - Vorgänger 1989 "TV ohne Grenzen") führt zu einer anderen Frage, der sich die Kommentierung allenthalben zu stellen hat: Wie ist das Verhältnis des DSA zu anderen europäischen Rechtsakten und - im Fall von Richtlinien - zu den nationalen Umsetzungen? Allzu oft heißt es, dass die anderen Rechtsakte "unberührt" blieben. Das führt aber im Detail zu einer Vielzahl von Abgrenzungsfragen. Das ist nicht nur inhaltlich gemeint, sondern auch verfahrensrechtlich, wenn etwa schon bei dem DMA (Digital Markets Act) etwas andere Ansätze bei der Durchsetzung gewählt sind. Die Liste der betroffenen Rechtsakte ist lang und reicht von der AVMD-RL über die DSGVO zum DMA, zukünftig auch dem EMFA und weiter zu Kartellrecht oder telekommunikationsrechtlichen Vorschriften.

Die Kommentierung gibt erste Hinweise an ganz vielen Stellen, sie wird vermutlich kontinuierlich fortzuschreiben sein, erst recht nach den ersten DSA-Fällen, wenn sie den EuGH erreicht haben werden. Wir sind gespannt.

Release 16. April 2024, 10:52 - OR